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In 8 Tagen von der Cote d'Azur nach Fürth/Bay. Eine Frühjahrstour über Nizza, Cuneo (obere Po-Ebene), Lago Maggiore, San Bernardino-Tunnel und Bodensee. Im März/ April 2006 hatte ich schon mehrere Wochen in Carqueiranne an der Cote Azur verbracht. Nach meiner Meinung ist das hier die schönste Zeit: Alles blüht. Die Temperaturen sind mit etwa 22 Grad am Tag und etwa 14 Grad in der Nacht recht angenehm. Fast immer scheint die Sonne. Es ist aber noch nicht so heiß wie in den Monaten Juni, Juli und August. Ideal zum Radfahren also, zumal es noch fast keine Touristen gibt und die Straßen noch nicht so stark befahren sind wie in der Saison. Es war also naheliegend, mit dem Fahrrad zurück nach Deutschland zu fahren. Die Fahrt nach Fürth sollte nicht länger als 10 Tage dauern. Um den 10. Mai erwarteten wir die Geburt eines Enkels. Ich wollte dafür rechtzeitig zu Hause sein, notfalls auch unter Zu-Hilfe-Nahme von Bahn und Bus. Ein Klick auf die Karte öffnet ein zusätzliches Google-Fenster mit dem genauen Streckenverlauf. ![]() Am letzten Sonntag vor der geplanten Abreise gab es den alljährlichen Blumen-Korso. Freunde und Bekannten in Carqueiranne hatten mir geraten, mit meiner Abreise auf jeden Fall bis nach dem Blumen-Korso zu warten. Die großen Gärtnereien und viel der ortsansässigen Vereine organisieren dieses alljährliche Ereignis und beteiligen sich mit großem Engagement und teilweise wochenlanger Vorarbeit. Obwohl es um diese Jahreszeit hier noch fast keine Touristen gibt, säumen viele Zuschauer aus der ganzen Region die Straßen, durch die sich der Festzug bewegt.
![]() Nach eineinhalb Tagen hatte ich Nizza erreicht. Die Fahrt entlang der Cote Azure ist mit dem Fahrrad im April noch recht angenehm. (Für den Sommer kann man diese Strecke wegen der großen Hitze und dem starken UrlauberVerkehr leider nicht empfehlen.)
Jean Gaultier, ein sehr angesehener Mann in Carqueiranne, hatte mir von einer Bahnlinie erzählt, die von Nizza aus sehr spektakulär durch Schluchten, Tunnels und über zahlreiche Viadukte hinüber nach Cuneo in der oberen Po-Ebene führt. Der Alpenhauptkamm wird dabei durch einen Scheiteltunnel unter dem Col de Tende (Passo die Tenda) bewältigt.
(Weitere Informationen und Bilder findet man z.B. bei www.google.de oder bei de.wikipedia.org wenn man als Suchbegriff 'passo tenda' eingibt.)
Offenbar war ich der Einzige, der keinen Proviant mitgenommen hatte. Kein Problem: Bereits auf der halben Strecke wurde ich großzügig eingeladen. Nebenbei habe ich dabei auch viel über die wechselvolle Geschichte dieser oft heiß umkämpften Region zwischen Frankreich und Italien erfahren.
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Cuneo liegt in einer weiten Ebene, welche im Norden, Westen und Süden von hohen Bergen eingerahmt wird, die jetzt im Frühjahr noch alle schneebedeckt waren. Die Stadt selbst liegt an einer geologisch markanten Stelle: In den Fluss Stura, der sich hier tief in die Ebene eingegraben hat, mündet ein kleinerer ebenfalls in die Ebene eingegrabener Fluss. Oben auf dem stehengebliebenen Rücken zwischen den beiden Flüssen ist ein Plateau. Hier liegt die Stadt. Die vielen alten Prachtbauten in der Stadt zeigen, dass Cuneo auch schon in früheren Jahrhunderten eine bedeutende Handels- und Kulturmetropole gewesen sein muss.
Beeindruckend ist in Cuneo u.A. auch die große Steinbrücke, auf der unterhalb der Straße eine zweispurige Bahnlinie über den tiefen Einschnitt des Stura geführt wird.
![]() Etwa 30 km östlich von Cuneo wird die Gegend wieder hügelig. Ich folgte dem wenig spektakulären Tal des Stura durch die Hügel bis Alba und Asti. Hin und wieder standen an der Straße bildhübsche Afrikanerinnen, die sich hier anbieten. An dieser Art illegaler Migranten stören sich die Behörden in Italien anscheinend wenig. Auf der relativ engen Straße hinter Alba wurde der Autoverkehr immer heftiger. Nach der (neu gekauften) italienischen Straßenkarte sollte es eine Autobahn zwischen Alba und Asti geben. Von dieser existieren bisher aber nur einige kleine Teilstücke. Der sehr dichte Autoverkehr konzentriert sich deshalb auf die alte Straße zwischen den beiden Städten. Eine Ausweichmöglichkeit auf kleinere Nebenstraßen gab es nur selten. Ziemlich genervt erreichte ich schließlich am Abend Asti. Kulturelle Sehenswürdigkeiten habe ich dort nicht entdeckt. Nur viele enge alte Gassen voller Andenkenläden und kleinen teueren Touristen-Restaurants. Nach einigem Suchen fand ich auch irgendwann wieder aus dem Gassen-Gewirr der Altstadt hinaus. Den offiziellen Campingplatz fand ich danach in der Nacht aber trotz längerem Suchen nicht mehr, und für eine andere ordentliche Übernachtungsmöglichkeit war es schließlich zu spät...
Erst am nächsten Vormittag kehrte die Freude an der Radtour wieder zurück. Ich hatte in Asti das Stura-Tal mit der stark befahrenen engen Hauptstraße verlassen. Als mich auf einer wenig befahrenen Nebenstraße im Hügelland nördlich von Asti an einem der Anstiege die gesamte Besatzung einer Feuerwehr-Station anfeuerte, war die Welt wieder in Ordnung. Nach 40 km durch ein Hügelland mit meistens gut fahrbarem Auf und Ab erreichte ich bei Pontestura die Po-Ebene. (Der Ort hat mit dem 40 km weiter südlich liegenden Stura-Tal nichts zu tun.)
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Kaum hatte ich den Po überquert, begannen auch schon die zahllosen Reisfelder. Reisfelder so weit das Auge reicht. Der Anbau erfolgt heute voll-mechanisiert. Jetzt Ende April kann man verschiedene Phasen des Anbaus beobachten. Im Winter lagen die Flächen brach, trockene Stoppelfelder wie in Deutschland die Getreidefelder. Im Frühjahr werden diese Felder umgeackert und mit entsprechenden Maschinen fein gehackt. Anschließend werden die Felder (sie sind alle von kleinen Kanälen umgeben) geflutet. Nach wenigen Tagen wird der Wasserspiegel noch einmal etwas abgesenkt und mit entsprechenden Geräten (siehe Bild) wird die Aussaat vorgenommen. Kurze Zeit später wird der Wasserstand wieder um einige Zentimeter erhöht und die Landschaft sieht aus als wäre sie voller Fischteiche. Wenige Wochen später sprießen in diesen "Teichen" Millionen von zarten frischgrünen Trieben. Jetzt bieten die Reisfelder wohl das schönste Bild des ganzen Jahres. Später dann wird das Grün so dicht, dass man vom Wasser nichts mehr sieht. Die Reisfelder sehen aus wie die Getreidefelder bei uns im Frühsommer. Später im Jahr wird das Wasser abgelassen und die Felder werden goldgelb, wie bei uns die Weizenfelder vor der Ernte. Die Ernte wird auf den dann trockenen Feldern mit dem Mähdrescher vorgenommen. Auch dieses Bild kennen wir von unseren sommerlichen Getreidefeldern. Übrig bleiben bis zum nächsten Frühjahr die trockenen Stoppelfelder.
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Vercelli ist eine jener gemütlichen alten Kleinstädte mitten im ausgedehnten Reisanbaugebiet zwischen dem Po und dem Hügelland vor den Alpen. Nicht ärmlich und nicht hässlich! In vieler Hinsicht durchaus vergleichbar mit Straubing im niederbayerischen Gäuboden.
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Zwischen Po-Ebene und Lago Maggiore zunächst ein etwa 30 km breiter hügeliger Streifen mit Wiesen und Wäldern. Am See angekommen muss man sich entscheiden, ob man an der West- oder Ostseite des ca. 80 km langen Sees nach Norden fährt. Ich wählte die Ostseite und konnte feststellen: Die kleine Straße dort ist landschaftlich schön, hat nur wenige, kurze Anstiege und ist nicht stark befahren. Es begegneten mir fast ebensoviele Radfahrer wie Autos. Die meisten Radfahrer waren Urlauber mit Rennrädern, die versuchten, den Lago Maggiore an einem Tag zu umrunden. Sicherlich keine schlechte Idee. Zur Not gibt es nach der Hälfte des Sees zwischen Verbania und Laveno eine Fähre, mit der man auf die andere Seite übersetzen kann, um die Runde abzukürzen.
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Es war anzunehmen, dass der San Bernardino-Pass (ca. 2.300 MüM) jetzt Ende April noch nicht geräumt und freigegeben ist. Aber es gibt ja den Tunnel unter dem Pass. Der ist zwar für Radfahrer (aus guten Gründen!) gesperrt. Ich nahm an, dass es aber soetwas wie einen Bus-shuttle durch den Bernardino-Tunnel geben würde. Um das herauszubekommen, suchte ich in Bellinzano den Bahnhof auf. Tatsächlich fand ich dort die Endhaltestelle der Buslinie Bellinzano-Chur. Alle zwei Stunden startet hier ein Bus. Der nächste Bus sollte in wenigen Minuten gehen, erklärte mir der Fahrer. Ja, man könne auch mit dem Bus von einer Seite des Tunnels zur anderen mitfahren und dabei das Fahrrad mitnehmen, müsse aber einen Tag vorher einen Platz reservieren. Wenn ich wolle, könne ich aber auch gleich mitfahren bis zur anderen Seite des Tunnels. Er habe gerade noch genügend Platz für ein Fahrrad. Ohne lange zu zögern, nahm ich das Angebot an.
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Oberhalb von Thusis gibt es auf der Ostseite des Silser Sees ein kurzes Stück Radweg. Der ist aber nur für Mountainbiker geeignet. Hier sollte man besser auf der alten Straße an der Westseite des Sees bleiben (vgl. meinen Tourenbericht 'Italienrundfahrt 2004'). Vom Silser See bis Thusis fährt man nicht auf der für Radfahrer gesperrten stark befahrenen Autostraße, sondern sehr angenehm und fast ohne Verkehr auf der alten, kleinen, aber sehr gut erhaltenen Straße, auf der man von der Via Mala viel mehr sieht als von der Autostraße mit ihren vielen Tunnels. Von Thusis bis Chur nimmt man auch wieder am besten die alte, wenig befahrene Straße, weiter bis Bad Ragaz dann den nicht optimalen, aber meist akzeptablen Radweg. Weiter bis etwa 20 km vor Bregenz gibt's einen hervorragenden Radweg auf dem Uferdamm des Rheins, zunächst linksrheinisch und ab Liechtenstein dann rechtsrheinisch. Auf dem letzten Stück bis Bregenz hat man die Wahl zwischen verschiedenen schlecht ausgeschilderten Radweg-Stücken und der Hauptstraße (meist mit Fahrrad-Streifen). Von Bregenz bis Lindau gehts dann wieder recht angenehm am Bodensee entlang.
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Das war dann fast schon ein Heimspiel. Ich war rechtzeitig zu Hause. (Auch mein kleiner Enkel hat sich an den vereinbarten Termin gehalten.) Der Fahrrad-Tacho zeigte am Ende fast genau 1.000 km.
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