Von Maribor/Slowenien nach Sofia/Bulgarien (12 Tage, 1.050 km)
Spätestens in Maribor hörte das auf, was man gemeimhin unter einem schönen Fahrrad"urlaub" versteht. Radwege gibt es hier nicht. Überwiegend ging es über stark befahrenen Hauptstraßen. Der Autoverkehr hat seit der letzten Reise des Autors vor sechs Jahren auf dieser Strecke stark zugenommen. Nur selten besteht die Möglichkeit, für ein mehr oder weniger kurzes Stück auf kleine Nebenstraßen auszuweichen. Die sozialen Verhältnisse haben sich in den letzten sechs Jahren in Slowenien und Kroatien eindeutig verbessert, teilweise auch in Serbien und Bosnien. In dem EU-Mitgliedsstaat Bulgarien ist der wirtschaftliche Aufschwung bisher allerdings fast nur bei Leuten angekommen, die auch schon im Sozialismus zur privilegierten Klasse gehörten. Sie protzen mit ihren Neuwagen der Oberklasse und mit jungen Frauen in ihrer Begleitung. Den 'normalen' Leuten (auch dem Bildungsbürgertum) geht es heute schlechter als im Sozialismus, wie uns ideologisch unverdächtige Leute versicherten. Die Auswüchse der 'new economy' lassen grüßen.
![]() Unser Weg durch Slowenien ging zum größten Teil über die Strecke von Maribor nach Ptui, einem alten Kurbad-Ort. Die Strecke bis Ptui war sehr stark vom Fernverkehr belastet, denn die von Österreich kommende Autobahn endet in Maribor und die Fortsetzung, die Autobahn nach Zagreb, beginnt erst wieder in Kroatien. Der gesamte Durchgangsverkehr in Richtung Zadar (dalmatinische Adriaküste) und in Richtung Belgrad-Sofia-Istanbul muss deshalb hier durch. Unangenehm und nicht ungefährlich auf der kurvenreichen Straße ohne Randstreifen. Besonders in der sommerlichen Urlaubszeit rollen an den Wochenenden hier tausende PKW mit deutschen, österreichischen, holländischen, belgischen und sogar französischen und dänischen Kennzeichen durch, hauptsächlich Türken auf dem Weg in den Türkei-Urlaub, aber auch zahlreiche Adria-Urlauber. Der Bade-Ort Ptui hat davon leider nichts Positives abbekommen. Bei meiner letzten Reise vor 6 Jahren wurde hier noch mit viel Hoffnung investiert und renoviert. Inzwischen kämpft man schon wieder gegen den Verfall des Städtchens. Die Urlauber fahren (anders als der Radtourist) ahnungslos auf einer Umgehungsstraße vorbei.
![]() Auf den ersten 200 - 300 km in Kroatien waren die Straßen deutlich besser als in Slowenien. Zunächst gab es sogar einen gut befahrbaren Randstreifen, wofür wir nach dem starken Autoverkehr vorher sehr dankbar waren. Immer wieder kamen wir durch ordentliche Kleinstädte mit autofreiem zentralem Platz mit Straßen-Kafes (so schreibt man das hier), Springbrunnen und schattenspendenden Grünanlagen wie z.B. in Koprovnica auf dem Bild rechts.
![]() Wir hatten uns entschieden, die serbische Hauptstadt Belgrad, der wir uns jetzt näherten, großräumig zu umgehen. Der Weg in eine fremde Großstadt und später wieder aus ihr hinaus ist für Radwanderer fast immer unschön. Die vorgefundenen Sehenswürdigkeiten lohnen den Aufwand meistens nicht. Wir wollten stattdessen lieber etwas weiter südlich ein Stück durch Bosnien fahren. Die letzten kroatischen Dörfer vor der Grenze nach Bosnien waren einfacher und verschlafener als die vorherigen kroatischen Dörfer und interessanter Weise auch nicht so vom letzten Krieg zerstört. In den ersten bosnischen Dörfern hinter der Grenze war das ganz anders. Bis zu 80 % der Häuser waren zerschossen oder als Rohbauten aufgegeben worden. Es gab aber auch Dörfer und Kleinstädte, wo nichts zerstört und alles voller Leben war. Manche dieser Dörfer sind sehr schmutzig und verwahrlost, andere schmuck und sauber. In manchen sind alle Kirchen und Friedhöfe christlich, andere sind rein mohamedanisch. (Besonders gefallen hat uns der schön gelegene, gepflegte mohamedanische Ort Celik, Sitz einer gut gehenden Fensterfabrik, die viel Gutes für Celik tut.) Irgendwelche klar abgrenzbaren regionalen Strukturen waren in dem von uns besuchten Teil Bosniens aber nicht erkennbar.
Genauso unterschiedlich wie die Orte sind die Straßenin Bosnien. Dort wo in der Karte eine gute asfaltierte Nebenstraße eingezeichnet ist, gab es nur einen extrem schwierigen Passübergang auf steiniger Schotterpiste mit bis zu 30 % Steigung - das schwierigste Stück, das wir jemals erlebt habe. An anderer Stelle wo eine nur kleine Nebenstraße vesprochen wurde, war dann dafür eine stark befahrene Hauptstraße.
![]() Nach unserer Fahrt durch das sehr gegensätzliche, landschaftlich aber sehr schöne Bosnien kam wir bei der Industriestadt Zvornik an die Drina. Zvornik ist groß, schmutzig und voller Leben. Die Drina fließt in einem tief eingeschnittenen Tal und bildet hier und noch 150 km flussaufwärts die Grenze zwischen Bosnien und Serbien. Bei Zvornik ist eine Staustufe mit einem touristisch (noch) nicht erschlossenen 15 km langen See. Weiter oben ist die Drina unreguliert und mit Stromschnellen, Sandbänken und kleinen Inseln landschaftlich sehr schön. Nachdem man uns in Zvornik gesagt hatte, die Straße auf dem östlichen Ufer sei ruhiger als die im eigenen Land und trotzdem gut, wechselten wir hinüber auf die serbische Seite. Wir haben es nicht bereut.
![]() In Rogacica schließlich mussten wir das schöne Tal der Drina verlassen, weil der (hier noch breite) Fluss weiter oben im bosnischen Gebirge verschwindet. Wir folgten ab Rogacica etwa 20 km einem grünen Seitental mit mäßg ansteigender Straße. Dann ging es auf mehreren Serpentinen etwa 12 km steil bergauf zu einem Pass in vermutlich über 1.000 müm. In der Straßenkarte war davon nichts eingezeichnet. Oben auf dem Pass ein verschlafenes Informationsgebäude und ein großes Gelände mit heroisch wirkenden Beton-Stelen aus jugoslawisch-sozialistischer Zeit. Es wurde langsam dunkel und empfindlich kalt. Anstatt uns auf eine Abfahrt mit ungewissem Ausgang einzulassen, suchten wir uns deshalb für unser Zelt ein geschütztes Plätzchen zwischen den Stelen. Tito, der alte Partisanenführer, hätte dafür sicher Verständnis gehabt. Wir haben jedenfalls gut und ungestört geschlafen da oben.
![]() Gleich hinter dem Pass zwischen Rogacica und Uzice beginnt das Tal der Zap.Morava, die sich 200 km weiter östlich mit der Juzna Morava vereinigt und dann nach Norden zur Donau fließt. Im oberen Drittel bis Cacak ist das Tal der Zap.Morava landschaftlich sehr reizvoll. Es gibt tiefe Einschnitte zwischen hohen Felswänden und viel Wald. Leider ist aber im gesamten Morava-Tal alles furchtbar verdreckt und verwahrlost. Überall viel Müll. Die Armut, die ich noch vor 6 Jahren beobachtet hatte, ist gewichen. Im Wohlstand lebt man aber noch nicht. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und vor jedem dem zahllosen kleinen Dorfläden sitzen viele Männer, in der einen Hand die Bierflasche, in der anderen eine Zigarette - und das an allen Tagen der Woche und auch tagsüber. Gleichzeitig scheint der private PKW das goldene Kalb zu sein. Vom verkehrsunsicheren Schrott-oldtimer bis hin zum aktuellen Audi, Daimler oder BMW ist alles unterwegs. Dabei sind Benzin und Diesel genau so teuer wie in Deutschland. Die Gegend ist dicht besiedelt, ein Straßendorf nach dem anderen. Die Felder sind klein. Gelegentlich wird über die Arbeitslosigkeit geklagt. Trotzdem sind Alle guter Dinge. Die vielen Straßen-Kafes in den Städten an der Strecke sind abends voll besetzt und es flanieren abends so viele Menschen durch die Straßen, dass diese für den Autoverkehr gesperrt werden - auch an ganz normalen Werktagen... Irgendwie passt das alles nicht zusammen!
![]() Nachdem wir in das Tal der Juzna Morava gekommen waren, näherten wir uns der Atadt Nis. Der Fernverkehr in die Türkei folgte bis hierher der Autobahn Zagreb-Belgrad-Nis. In Nis verlässt er die Autobahn und geht weiter auf der Hauptstraße nach Bulgarien und Sofia, der einzigen Verbindung, die es dorthin gibt. Irgendwann werden auch wir auf diese Straße müssen. Ab Pirot gibt es dazu keine Alternative mehr. Bis dahin wollten wir das aber noch vermeiden. Wir benutzten deshalb eine kleine Nebstrecke durchs Bergland nördlich von Nis. Die Gegend erwies sich als ausgesprochen schön, wenig besiedelt und sauber. Allerdings mussten wir dabei drei unerwartete Pässe überwinden. Dafür habe wir dort einen Canjon entdeckt, der lebhaft an den Grand Canjon de Verdon in den provencalischen Alpen erinnert und einen weit verzweigten Wasserfall mit vielen Tuffstein-Formationen. Sehr schön!
![]() Gleich hinter der bulgarischen Grenze geht es viele km stetig bergan durch ein unbewohntes grünes Tal. Wir kamen nur langsam voran auf der stark befahrenen Hauptstraße ohne Randstreifen. Wir wechselten deshalb auf eine halb zugewachsene alte Pflasterstraße, die wir neben der Hauptstraße entdeckten. Sie ging in der Nähe der neuen Hauptstraße bis auf die andere Seite des Grenzgebirges, wo sich die weite Ebene des bulgarischen Beckes öffnet. Auf diese alten Straße mit Kleinpflaster muss früher der gesamte Verkehr in den nahen Osten gerollt sein. Ein echtes, heute vergessenes Kulturdenkmal!
![]() Nachdem wir das Grenzgebirge zwischen Serbien und Bulgarien hinter uns hatten, öffnete sich vor uns eine weite, fast unbewohnte wellige Ebene ohne Bäume und Sträucher. Zu 80 % ungenutztes steppenartiges Brachland.
![]() Irgendwann tauchte in der Brachlandsteppe die Silhoutte einer sehr großen Stadt auf: Bulgariens Hauptstadt Sofia. Dann zunächst ein Gürtel von Vorstädten mit Wohnblocks mittlerer Güte. Dann ein Gürtel moderner großer Gewerbebauten von allen bekannten westeuropäischen Großunternehmen. Dann ein Gürtel von Ruinen pleite gegangener Gewerbebetriebe. Und dann die eigentliche, ehemals wohl sehr beeindruckende Großstadt Sofia. Die Gebäude hier sind größtenteils aus dem ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts und abgesehen von den repräsentativen Großbauten ehemaliger Regime alle mehr oder weniger marode. Das Leben pulsiert in dieser Großstadt - erinnert irgendwie an München. Auffallend ist bei genauem Hinsehen aber der große soziale Unterschied zwischen einer kleinen protzenden Klasse von Geldleuten und dem Großteil der übrigen Bevölkerung. Ich glaube nicht, dass es gelingen wird die Stadt und die bulgarische Wirtschaft zu sanieren, solange es der großen Mehrheit der Bevölkerung noch so schlecht geht.
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