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Rückfahrt von Persepolis zum Imam Khomeini Airport (2 Tage, ca. 950 km)

schon grün vor antikem Persepolis Vor der Ruinenstätte Persepolis wurde noch zu Schah-Zeiten ein großer Kiefernwald angelegt. Heute ist das ein richtiger Hochwald. In ihm befinden sich die Gebäude der Verwaltung und ein camp für offizielle Gäste. Einer der hier Verantwortlichen hatte mir vorgeschlagen, mein Zelt für die Nacht im Wald hinter der Pförtnerloge auf­zu­bauen - gut vor allzu neugierigen Touristen geschützt und eine Toilette in der Nähe. Ich nahm den Vorschlag an und hatte eine angenehme, ruhige Nacht. Danke.

Das Grün explodiert fast Persepolis befindet sich am Rande einer aus­ge­dehn­ten, "nur" 1.600 hoch gelegenen Ebene, die von hohen Felsen­bergen umgeben ist. Hier gibt es mehre­re Dörfer und Kleinstädte und es ist einige Grad wärmer als in den Gebirgsregionen vorher. Nach dem aus­giebigen Regen vor gut einer Woche ist hier in­zwi­schen alles ergrünt. Eine schöne Gegend! Die große Fernstraße von Shiraz nach Esfahan führt über etwa 30 km durch diese Hoch­ebene und verlässt sie dann bei Persepolis in einem Einschnitt zwischen den Bergen in nord­öst­licher Richtung. Da sich mein Urlaub allmählich dem Ende zu neigte, wollte ich über Esfahan zurück zum IK-Airport bei Teheran. turkishairlines.com kündigt zwar seit einigen Wochen eine Direkt­verbindung Shiraz - Istanbul an. Die Flüge stehen aber noch nicht zur Verfügung. (Vielleicht wegen den derzeitigen poli­ti­schen Unruhen im Iran?) Für mich blieb somit nur der Rückweg über den Imam-Khomeini-Flughafen bei Teheran.

hier ist der Frühling noch nicht angekommen Eine zügige Rückfahrt mit dem Rad wäre auf der Haupt­straße mög­lich gewesen, aber wegen dem starken Verkehr nicht un­be­dingt erstrebenswert. Mehr oder weniger parallel zu der Hauptstraße gibt es inzwischen auch eine neu ge­bau­te Bahnlinie. Mehrmals täglich fahren auf ihr Personen­züge von Shiraz über Esfahan, Kashan, Qom und Teheran bis nach Mashad im Nordosten des Iran. Die neuen Bahnhöfe zwischen Shiraz und Esfahan sind schon weitgehend fertig, aber noch nicht in Be­trieb (Stand März 2011), ein Zusteigen auf halber Strecke deshalb (noch) nicht möglich. Ich entschloss mich deshalb, einen der zahl­rei­chen Busse für die Rückfahrt zu nehmen, von denen in jeder Stunde mehrere an mir vorbei­fuhren. Aber wo zusteigen? Nach weiteren fünf Stunden und etwa 60 km auf der stark be­fahre­nen Straße ergab sich schließlich am Rand der Stadt Sa'adat Shar (beim dortigen Kontroll-Posten der Straßenpolizei) die Möglich­keit, in einen solchen Bus zuzusteigen. Auf diese Weise ersparte ich mir den Anstieg auf den nächsten Pass und war bis zum Abend in Esfahan.

Die alten Lehmhäuser verfallen Schon vor dem Pass wurde die Land­schaft wieder wüsten­artig. Nicht Sand­wüste, sondern ganz kleine Steinchen oder Lehm. Nördlich von Esfahan kamen am nächsten Tag noch einige Pässe, meistens aber war das Land flach. Überall waren die einstigen Lehmbauten am verfallen, und in den rapide wachsenden Dörfern und Städten neben der Straße sieht man zahlreiche Stein­bauten oder Stahl­skelette, die noch ausgebaut werden müssen.

Neue Städte entstehen Das Wachstum der Städte ist exorbitant. Klar, die vielen jungen Leute wollen ihre eigenen Wohnungen. Leer stehende Immobilien habe ich trotz des Bau-booms nirgends entdeckt.

stürmisches Wachstum überall Das Erdgeschoss in diesem Rohbau ist bereits voll­ständig mit Läden und einem Restaurant belegt.

Dank Frühjahrsregen wieder Wasser im Salzsee Auf der Landkarte ist in der Wüste neben der Haupt­straße von Qom nach Teheran ein großer See einge­zeich­net. Als ich vor 14 Tagen hier vorbeiradelte, war von diesem außer einer dünnen Salzkruste auf dem Wüsten­boden noch nichts zu sehen gewesen. Jetzt, nach dem Regen vor gut einer Woche, war hier auf einmal ein See, der links und rechts bis zum Horizont reichte.

selbst in der Wüste gibts grüne Hänge Zu meiner besonderen Überraschung tauchten jetzt mitten in der Wüste auch ganze Berghänge auf, die plötzlich grün überzogen waren!


Abschließende Zusammenfassung zu meiner Iranreise von Mitte Februar bis Mitte März 2011:

Die dreiwöchige Fahrradtour durch den Südwesten des Iran vermittelte mir den Eindruck eines zivilisierten und aufstrebenden Landes. Die Begegnungen mit den vielen jungen und oft überaus gebildeten Menschen in diesem Land waren erfrischend. Nach meiner Erfahrung ist es nicht gefährlicher als in Deutschland, allein mit dem Fahrrad durch den Iran zu reisen. (Hier wie dort sollte man immer einen kleinen Rest von gesunder Vorsicht im Hinterkopf behalten, und hier wie dort sind die Strecken auf den stark befahrenen Fernstraßen das Hauptrisiko.) Die oft großartige Landschaft, der Fleiß und die Offenheit der Menschen sowie der überall erkennbare, ehrlich erarbeitete ökonomische Auf­schwung ist beeindruckend. Lediglich die Jahreszeit war für die Reise nicht ideal. Vor allem nachts wurde es bei dem hier herrschenden kontinentalen Klima meist bitter kalt. Besser geeignet für Radtouren in dieser Gegend wäre wahrscheinlich April/Mai und eventuell Mitte September bis Mitte November.

Die derzeitigen politischen Unruhen im Iran haben eine andere Vorgeschichte und eine andere Ausprägung als in den arabischen Ländern. (Der Iran ist kein arabisches Land!) Tatsache ist, dass der iranische Staat keine Demokratie in unserem Sinne ist. So gesehen überrascht es, wie offen und kritisch über die politischen Zustände im eigenen Land gesprochen wird. Es gibt weder Parteien noch eine Opposition. Die regierende konservativ-islamische Clique ist vor über 30 Jahren durch eine sogenannte Revolution gegen das Schah-Regime an die Macht gekommen (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Iran). Damals war das ein echter Fortschritt. Unter dem Schah waren verdächtige Personen oder deren Angehörige oft verschleppt und grausam ermordet worden. Für einen Verdacht reichte es dabei schon aus, dass z.B. ein Mitglied der Familie im Ausland studierte.

Die Revolutionäre von damals sind immer noch an der Macht. Sie sind inzwischen alt geworden und etabliert, besetzen lukrative Posten mit den Angehörigen der eigenen politischen Klasse und dulden keine abwei­chenden Meinungen (gilt nicht nur bei dem gesetzl. vorge­schrie­benen Kopftuch). In den rapide wachsenden Städten sind inzwischen viele gut aus­ge­bil­dete junge Männer und Frauen heran­ge­wachsen, die nicht nur ihren Anteil am rapiden wirt­schaft­lichen Wachstum sondern auch mehr politische und gesell­schaft­liche Freiheit haben wollen.

Anderer­seits gibt es in den Dörfern und Klein­städten nicht nur die gut ausgebildeten jungen Leute sondern auch ältere und junge Menschen mit eher durch­schnitt­lichem Bildungs­stand, deren Weltbild über­wiegend vom staatlich kon­trollier­ten Fern­sehen geprägt wird. Sie und ihre Eltern sind sich der zweifellos vorhandenen großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritte seit der Revolution vor 32 Jahren bewusst, sind stolz auf ihren kleinen selbst geschaffenen Wohlstand und haben Angst vor tiefgreifenden politischen Veränderungen.

Bei den derzeitgen Demonstra­tionen in den großen Städten zeigt sich dieser Zwiespalt in der Gesellschaft: Wie aus dem Nichts tauchen plötzlich Trupps junger Leute auf 125er Motorrädern auf. Sie sind angetan mit schwarzen Windjacken, bei denen auf dem Rücken "Police" steht. Sie brechen überraschend in die Demon­stra­tionen ein und knüppeln alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellt, egal ob es sich um Demonstranten oder Passanten handelt. Dabei gibts auch manchmal Tote. Diese Schlägertrupps sind offensichtlich gut organisiert und werden angeblich vom Staats-Regime bezahlt. Vier derartige "Hilfspolizisten" hielten neben mir, als ich (noch) ahnungs­los auf dem Weg in die Innen­stadt von Qom war, wo gerade eine Demon­stra­tion statt­fand, und verlang­ten meine Papiere. Als ich zögerte (von vorn waren sie nicht als "Polizisten" erkenn­bar), fuhren sie einfach weiter. Mit der normalen Polizei hatten die bestimmt nichts zu tun. Die Beamten der normalen Polizei sind i.d.R. klar erkennbar uni­for­mierte, abgeklärte Männer mittleren Alters, die meist auch einiger­maßen Englisch sprechen. Sie ver­stehen zwar, sich ggf. durch­zu­setzen, sind aber normaler­weise souverän, korrekt (keinesfalls bestechlich!) und bei Bedarf auch hilfs­bereit. Ein Tourist, der nicht grob fahr­lässig gegen das im Iran geltende Recht verstößt oder einen wirklich ernsthaften Anlass zu einem Verhör gibt (dabei soll es gelegentlich zu Folterungen kommen), hat von der normalen Polizei im Iran kaum etwas zu befürchten. Halten Sie sich sicherheitshalber von politischen Demonstrationen fern. (Die gibt es nach meiner Beobachtung immer nur in großen Städten auf einem zentralen Platz. Bei meiner Reise war es stets möglich, die Demonstrationen zu umgehen.)

Vermeiden Sie jeglichen Anschein einer journalistischen Tätigkeit. Das ist Ausländern im Iran z.Zt. streng verboten! Vermeiden Sie zu Ihrem eigenen Schutz und zum Schutz Ihrer Gesprächspartner auch jegliche Aufzeichnung politikbezogener Kritik.

Den Reisepass mit dem ein­ge­stempel­ten Visum sollte man stets mit sich führen, aber grundsätzlich nicht aus der Hand geben. Halten Sie für die An­mel­dung an der Hotel­rezep­tion und für Kontrollen durch frag­würdige Personen Foto­kopien bereit! Wenn Sie bei Kontrollen Zweifel an der Echtheit von angeb­lichen Poli­zisten haben, sollten Sie darauf bestehen, gemeinsam die nächste Polizei­station aufzu­suchen.

Die Aufenthalts­erlaubnis für Touristen beträgt übrigens (ein gültiges Visum voraus­gesetzt) 30 Tage. Sollte Ihnen das aus irgend­einem Grund nicht reichen, beantragen Sie recht­zeitg eine Ver­länge­rung um weitere 30 Tage in der nächstgelegenen Provinz­hauptstadt.
(Alle Angaben auf Grund eigener Beobachtungen in 2009 und 2011, aber ohne Gewähr!)

Noch etwas: Militanten Islamismus konnte ich in den drei Wochen im Iran kein einziges Mal beobachten. Die meisten Iraner sind gottgläubige Mohamedaner mit hohen ethischen Werten, aber keine religiösen Fanatiker. Allein reisende Frauen werden i.d.R. respektiert und geachtet. Radfahrende Frauen werden aber oft in übler Weise angemacht, besonders auf Strecken außerhalb von Ortschaften. VORSICHT, der Iran ist als Reiseland für allein reisende Radfahrerinnen m.E. nicht zu empfehlen! Anfeindungen als Christ habe ich niemals erlebt, auch nicht in den abseits gelegenen Dörfern. Toleranz, Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen scheinen in der jungen, aufstrebenden iranischen Gesellschaft mehr verankert zu sein als in den europäischen Kernstaaten. Wenn es geht, werde ich den Iran in den nächsten Jahren gerne noch einmal besuchen.

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