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St.Jean P.d.P
nach Mulhouse
(18. Juni - 01. Juli 2002, 1.228 km)

In St-Jean-Pied-de-Port an der französischen Seite der Pyrenäen bin ich wieder auf den Jakobsweg gestoßen, auf dem mir zwei Wochen vorher täglich mehrere hundert Pilger begegnet waren. Die Mehrzahl der Pilger tritt den langen Weg nach Santiago hier in St. Jean an. Das hübsche Städtchen ist gut darauf vorbereitet. Es gibt viele Läden mit Landkarten, Geschäfte für die richtige Kleidung, für Proviant usw. Es gibt auch viele Restaurants mit schattigen Terrassen, etliche Hotels und Herbergen sowie ein Büro, in dem man eine Art Stempel-Ausweis für die Herbergen auf der Strecke erhält. Über die Einzelheiten zu dem zuletzt genannten Papier habe ich mich nicht weiter erkundigt, ich wollte ja in die anderen Richtung. Genauere Informationen zum Jakobsweg findet man bei Bedarf aber im Internet.

Nachdem ich die Pyrenäen jetzt verlassen hatte, litt ich in den folgenden Tagen im südwestfranzösischen Tiefland gewaltig unter der schwülen Hitze. Die hohe Luftfeuchtigkeit vom Atlantik und die Hitze - mehrmals sehnte ich mich zurück nach der milden und klaren Luft im baskischen Gebirge. Aber ich wollte ja weiter. Ich zog deshalb auf einer Übersichtskarte eine gerade Linie nach Hause. Es zeigte sich, dass auf dieser Linie nur wenige größere Städte lagen: Clermont-Ferrand, Besançon und Mulhouse am Oberrhein. Gut so, denn inzwischen hatte ich gemerkt, dass neben der feuchten, drückenden Hitze die stark befahrenen Hauptstraßen zwischen den großen Städten und die viele km lange Ein- und Ausreise durch die Vororte sehr unangenehm für Radwanderer sind. Dann doch lieber eine kleine Nebenstraße, ggf. auch mit einem Pass, auf der man ungestört vor sich hin träumen kann. Das ist viel weniger anstrengend als eine nervenzehrende Strecke durch hektischen Verkehr!


zwischen l'Adour und Garonne Zwischen den Flüssen l'Adour und Garonne

In den ersten Tagen der Rückfahrt durch SW-Frankreich ging es durch hügeliges Land mit sauberen kleinen Landstädtchen und viel sattem Grün (Wiesen, Felder und Wälder). Hin und wieder findet man Hinweise auf den einen oder anderen historisch nachgewiesenen Zweig des Jakobsweges. Pilger sind mir aber nicht mehr begegnet.


Stierkampfarena Stierkampfarena in Südfrankreich

In Südfrankreich findet man in vielen Kleinstädten und Dörfern eine Stierkampf-Arena. Bei den Stierkämpfen in Frankreich kommen aber höchstens die Stierkämpfer zu Schaden, niemals die Stiere. Diese werden in Frankreich nicht getötet oder verletzt. Die Stiere (sie sind hier viel kleiner, schneller und wilder als in Südspanien) werden auch nur durch die heftig geschwenkten roten Tücher provoziert, aber nicht wie in Spanien mit Spießen und Lanzenstichen in Panik versetzt. Wenn die provozierten Stiere schließlich angreifen, weicht man möglichst knapp und stilvoll aus. Wirklich gute Torreros packen den Stier bei den Hörnern und schwingen sich über ihn - wie beim Bockspringen in deutschen Turnhallen.


Alte Brücke bei Barbaste Alte Brücke über das Flüsschen zw. Barbaste und Laverdac

Oft trifft man in SW-Frankreich auf Zeugnisse von Kultur aus vielen Jahrhunderten. Die alten Bauwerke wie Kirchen, Schlösser und Steinbrücken werden erhalten und gepflegt, auch wenn sich Touristen nur selten hierher verirren.


Chat. de la Treyne an der Dordogne Château de la Treyne an der Dordogne nahe bei Souillac

Einige Tage später folgte ich über insgesamt 120 km der Dordogne flussaufwärts und erfreute mich an der schönen Landschaft und der gepflegten Gastlichkeit in dieser touristisch gut erschlossenen Gegend. Man trifft hier viele Urlauber, außer Franzosen hauptsächlich Holländer und Engländer, aber fast keine Deutschen. Deutschen gegenüber sind die Leute hier oft spürbar reserviert. Ein Belgier, der schon viele Jahre lang hier wohnt, hat mir das damit erklärt, dass das Massaker im 100 km weiter nördlich bei Limoges gelegenen Oradour-sur-Glane hier noch allgemein in Erinnerung ist. In Oradour haben im letzten Krieg 200 deutsche SS-Soldaten in einer überraschenden Aktion alle Gebäude angezündet und die angetroffenen Einwohner des Ortes auf grausame Weise ermordet (642 Zivilisten, darunter etwa 200 Kinder). Die Ruinen des alten Oradour sind als Gedenkstätte erhalten und können besucht werden. Nach Aussage der Leute hier ist die Tragödie nie wirklich aufgearbeitet worden. Aufgrund von politischen Rücksichtnahmen gab es nach dem Krieg auf französischer Seite eine Amnestie für die bereits verurteilten Täter. Man fürchtete nach dem Krieg die Solidarisierung der elsässischen Bevölkerung mit den elsässischen Soldaten, die als Mitglieder der 3.Kompanie des 1.Bataillons im SS-Panzerregiment 4 "Der Führer" an dem Massaker beteiligt waren. Aber auch die deutschen SS-Offiziere (Regimentskommandeur Stadler und Kompaniechef Kahn), die die Aktion angeordnet bzw. geleitet hatten, wurden von der deutschen Bundesregierung (Kanzler war damals Adenauer!) aktiv geschützt und nie zur Verantwortung gezogen. Einer der beiden Hauptverantwortlichen lebte angeblich bis vor wenigen Jahren mit einer guten Pension unangefochten in der Nähe von Frankfurt/Main.

Ich selbst wurde hier im Limousin übrigens immer korrekt und nach anfänglicher Zurückhaltung oft sogar freundschaftlich behandelt.

NACHTRAG: Am 15.08.2007 wurde in deutschen Zeitungen gemeldet, dass ein SS-Mann namens Barth, der 1981 enttarnt, 1983 wegen dem Massaker in Oradour von einem DDR-Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt und nach der Wende aus Gesundheitsgründen vorzeitig entlassen worden war, jetzt verstorben ist. Es handelte sich bei Barth aber lediglich um einen Leutnant und Zugführer in der 3.Kompanie, die das Massaker unter Aufsicht ihres Chefs Kahn veranstaltete. (vgl. dazu die sehr gründlich recherchierten Ausführungen unter http://www.geschichtsthemen.de/oradour.htm)


Nebenstraße entlang der Dordogne Nebenstraße entlang der Dordogne

Auch auf den nächsten km führte mein Weg meistens auf einer landschaftlich sehr schönen Nebenstraße Dordogne-aufwärst. Der Fluss hat hier nirgends Staustufen und man sieht an den naturbelassenen Stromschnellen immer wieder Angler im klaren, flachen Wasser stehen. Auch viele Kanu- und Kajakfahrer ziehen flussabwärts vorbei.


Vallée de la Dordogne zwischen Beaulieu und Argentat Frühmorgens im Tal der Dordogne

Allmählich werden die Berge links und rechts der Dordogne höher. Das große Gebiet des Massiv Central ist nicht mehr weit.


Argentat Dordogne-Brücke in Argentat

Bei Argentat weitet sich das Dordogne-Tal noch einmal für kurze Zeit. Dann aber werden die Hänge links und rechts recht steil und das Tal zwischen den bewaldeten Hängen wird so eng, dass für die Straße kein Platz mehr ist. Oberhalb von Argentat gibt es entlang der Dordogne und an ihren kleinen, tief eingeschnittenen Nebenflüssen nur noch Wanderwege.


zw. St-Privat und Mauriac Blick über eines der zu kreuzenden Seitentäler

Nachdem man hinter Argentat in einem der Seitentäler auf einer gewundenen Straße durch den Wald etwa 200-300 m hinauf geklettert ist, befindet man sich auf einer welligen Hochfläche mit Wiesen, Feldern, kleinen Wäldern und sauberen Orten mit wenig Tourismus aber guter Gastronomie. Nur hin und wieder geht es hinunter in eines der tief eingeschnittenen Seitentäler der Dordogne und auf der anderen Seite wieder hinauf. Das ist dann zwar schweißtreibend, wegen dem geringen Verkehr und der schönen Landschaft aber keine große Belastung.


Puy de Sancy Im Parc nat. reg. des Volcans d'Auvergne

Voraus in den Wolken der weite Bergrücken des Puy de Sàncy (1885 m). Hier irgendwo entspringt die Dordogne. Im Winter ist diese Gegend ein großes Ski-Gebiet mit Langlaufpisten und Abfahrten auf baumlosen Hängen. Im Bild der weitläufige Sattel (1.200 m), über den die Straße von Egliseneuve nach Besse-et-St-Anastaise führt. Jetzt im Frühsommer ist hier nicht viel Betrieb, dabei ist die Gegend mit ihren mächtigen alten Vulkanen, auf deren Gipfel es oft einen großen, klaren Kratersee gibt, sicherlich ein lohnendes Ziel für mehrtägige Bergwanderungen.


Ebene bei Clermont-Ferrand Fruchtbare Ebene bei Clermont-Ferrand

Am Rand der weiten, fruchtbare Ebene zwischen den Vulkanbergen im Westen und den Monts de la Madeleine im Osten liegt die Stadt Clermont-Ferrand. Besuchenswert!


Mts.d.l.Madeleine zw.Clermont-Ferrand und Roanne In den Mts.d.l.Madeleine zw.Clermont-Ferrand und Roanne

In den Monts de la Madeleine, einem bis zu 1.200 m hohen waldreichen Mittelgebirge nordöstlich von Clermont-Ferrand, geht es am Anfang längere Zeit bergauf. Aber alles ist mit einer ordentlichen Gangschaltung noch gut fahrbar. Hin und wieder trifft man Leute auf Rennrädern, Autos dagegen sind hier sehr selten.


1000 Jahre alte Kirche in Châtel-Montagne 1000 Jahre alte Kirche in Châtel-Montagne

Auf einem Bergrücken am Rande der Montagne de la Madeleine liegt Châtel-Montagne, ein Dorf mit einer etwa 1.000 Jahre alten mächtigen Kirche mit romanischen Tonnengewölben. Alles bestens erhalten und sehr beeindruckend!


Rinderweiden in der Charollais Rinderweiden in der Charollais

Hinter den Montagne de Madeleine ging es etwa 100 km durch diese parkartige Landschaft im flachen Tal der Arconce. Hier in der Charollais, benannt nach der Kleinstadt Charolles auf halbem Weg der Strecke, gibt es zahllose durch Hecken abgegrenzte Rinderweiden. Auf den Weiden stehen einzelne große alte Bäume (meist Eichen) als Schattenspender und darunter jeweils eine "Familie" von etwa 15 - 20 cremeweißen Rindern - immer ein kräftiger schwerer Stier, 6-7 Kühe und 8-12 Kälber. Gelegentlich teilt sich aber auch eine Gruppe von 10 - 15 Ochsen die Weide. Alle Rinder sind hier cremeweiß und fleischig. Es geht nicht um Milchwirtschaft sondern um Rindfleischproduktion. Insgesamt stehen in der Charollais wohl mehrere zehntausend Rinder auf den Weiden, bevor sie in den französischen Restaurants zu Boeuf de Bourgogne (jenem zarten Rindergulasch in brauner Burgundersoße) verarbeitet werden.


Chalon sur Saône Chalon sur Saône

Nach einem nicht sehr großen bewaldeten Höhenrücken, der Wasserscheide zwischen der Loire, die in den Atlantik mündet, und der Saône, die sich der Rhône und damit dem Mittelmeer zuwendet, ändert sich die Landschaft und es geht durch Rebenhänge hinunter nach Chalon sur Saône, einer lebhaften und gepflegten mittelgroßen Stadt. Auch wenn ich inzwischen meine, dass man bei einer Radtour um größere Städte besser einen Bogen macht, hier sollte man einen Zwischenstop einplanen!


le Doubs oberhalb von Besançon Im Tal des Doubs oberhalb von Besançon

Einige km oberhalb von Chalon mündet der Doubs in die Saône. Etwa ab der Stadt Besançon wird das Doubs-Tal von hohen bewaldeten Bergen flankiert. Diese landschaftlich sehr schöne Strecke geht von Besançon etwa 60 km bis Montbéliard so weiter. Erst dort weitet sich das Tal wieder und der Doubs wendet sich nach Süden, seinem Quellgebiet im französischen Jura zu. Der kleine Rhein-Rhône-Kanal (er wird heute fast nur noch von Motor- und Segelyachten genutzt) geht weiter nach Nordosten, überwindet kurz darauf die Burgundische Pforte und mündet schließlich nach einem Abstieg über mehr als 30 kleine Schleusen bei Mulhouse (=Mühlhausen) in den Rhein.

Von Besançon bis Montbéliard wird der Doubs fast immer von einer kleinen Nebenstraße mit wenig Verkehr begleitet. Auf den 30 km von Valdieu-Letran bis Mühlhausen gibt es entlang des Kanals einen hervorragenden, asphaltierten Radweg. Die gesamte Strecke von Besançon bis Mühlhausen eignet sich auch für weniger geübte Radwanderer, denn es sind nur wenige und nicht allzu lange Steigungen zu überwinden.


Mulhouse/Mühlhausen Mulhouse(Mühlhausen) auf der französischen Seite des Oberrheins

Mühlhausen am Oberrhein, eine kleine Großstadt oder eine sehr große Kleinstadt? Hübsch und gemütlich ist es hier allemal. Und in den engen Gassen der Innenstadt findet man viele der Motive von den Postkarten aus dem Elsass wieder.
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